Wenn die Erinnerung schwindet: Herausforderungen und Wege im Umgang mit Demenzkranken Eltern
Die Diagnose Demenz bei einem Elternteil ist für viele Familien eine Befreiung. Die Stimmungsschwankungen, die Vergesslichkeit, die Agressivität – jetzt hat das Kind wenigstens einen Namen. Und dann fällt man vielleicht erst einmal in ein Loch. Die Eltern, die der Fels in der Brandung waren, verlieren nach und nach ihre Erinnerungen und damit auch einen Teil ihrer Identität. Das ist schrecklich und macht Angst. Der Umgang mit demenzkranken Eltern stellt sowohl eine emotionale als auch eine praktische Herausforderung dar. In diesem Blogpost möchten wir die verschiedenen Facetten dieser Situation beleuchten und Wege aufzeigen, wie man damit umgehen kann.

Themen:
Umgang mit demenzkranken Eltern: Wann sollte man zum Arzt gehen?
Die Symptome einer beginnenden Demenz können vielfältig sein und einige von ihnen lassen nicht gleich an eine Demenzerkrankung denken. Und ein wenig Vergesslichkeit muss nicht gleich eine Demenz sein. Wenn Sie aber mehrere dieser Symptome an Ihren Angehörigen beobachten, sollten Sie mit dem Hausarzt sprechen:
- Verschlechterung des Kurzzeitgedächnis: Ihre Eltern vergessen immer wieder Ereignisse, die gerade erst passiert sind
- Sprach- und Wortfindungsstörungen: Ihren Angehörigen fehlen immer wieder die Worte, oder sie können sich nicht adäquat ausdrücken
- Ihre Eltern haben Schwierigkeiten dabei, gewohnte Tätigkeiten auszuführen
- Sie verlieren den Überblick über ihre Finanzen
- Orientation:Ihre Eltern finden sich in einer fremden Umgebung nicht mehr zurecht
- Sie verlieren das Interesse an Hobbys
- Sie können Gefahren nicht mehr richtig einschätzen
- Sie sind reizbar und haben oft schlechte Laune, manche Menschen werden sogar agressiv
- Sie streiten Fehler und Versäumnisse hartnäckig ab
Diese Liste ist nicht vollständig, und oft treten sie nicht alle zugleich auf. Ausserdem können die Symptome auch von äusseren Umständen oder von anderen Krankheiten provoziert werden. Deshalb sollten Sie mit einem Arzt über Ihre Vermutung sprechen und ihn eine Diagnose stellen lassen.
Umgang mit demenzkranken Eltern: sich den eigenen Gefühlen stellen
1. Trauer und Verlust: Es ist schwer zu akzeptieren, dass die geliebten Eltern nicht mehr die gleichen sind. Die Trauer um die verlorenen Erinnerungen und die veränderte Beziehung kann überwältigend sein. Es ist wichtig, diesen Schmerz zuzulassen und sich Zeit zu nehmen, um zu trauern. Die Rollen verstauschen sich: wenn Ihre Eltern bis jetzt immer für Sie da waren und Ihnen mit Rat und Hilfe zur Seite gestanden haben, können sie diese Rolle jetzt nicht mehr ausfüllen. Jetzt müssen Sie diejenigen sein, die sich kümmern und die helfen.
2. Wut und Frustration: Oft kommen Gefühle der Wut und Frustration auf, sowohl über die Krankheit selbst als auch über die Veränderungen im eigenen Leben. Diese Emotionen sind normal, sollten jedoch niemals die Beziehung zu den Eltern belasten. Machen Sie sich klar, dass Ihre eltern krank sind und nichts für ihr Verhalten können.
3. Schuldgefühle: Ich hätte mich früher kümmern müssen, wenn wir es nur früher erkannt hätten… Viele Angehörige kämpfen mit Schuldgefühlen, sie fragen sich, ob sie mehr hätten tun können oder ob sie ihrer Verantwortung gerecht werden. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass man sein Bestes gibt und dass niemand Schuld an der Krankheit Demenz hat.
Umgang mit demenzkranken Eltern: Praktische Herausforderungen
Pflege und Unterstützung: Die Pflege eines demenzkranken Elternteils kann physisch und emotional anstrengend sein. Oft sind Angehörige gezwungen, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen. Überlegen Sie genau, was Sie leisten können.
- Wollen Sie Ihre Angehörigen zuhause pflegen?
- Ist die (Wohn-) Situation so, dass Sie das leisten können? Oder können Ihre Angehörigen noch alleine in ihrer Wohung bleiben?
- Brauchen Sie einen Pflegedienst?
- Oder ist ein Pflegeheim die beste Möglichkeit?
Der Umgang mit Demenzkranken Eltern kann ganz unterschiedlich aussehen. Jede Familie muss für sich selber entscheiden, welche Lösung die beste für ihre Situation ist.
Als Mitarbeiterin eines Pflegedienstes half ich bei der Versorgung einer alten Dame mit Demenz. Sie lebte alleine in ihrer Wohnung, dreimal täglich kamen Mitarbeiter des Pflegedienstes und halfen ihr bei der Körperhygiene, kochten ihr das Mittagessen und brachten sie abends ins Bett. Das einzige Problem war, dass sie dachte, sie lebte auf dem Hof ihrer Eltern in Ostpreussen. Sie warf deshalb die Überreste ihres Mittagessens regelmässig auf den Bürgersteig vor ihrem Mietshaus – für die Hühner. Sonst war sie zufrieden und am Wochenende bekam sie Besuch von ihren berufstätigen Kindern.
Oft brauchen Demenzkranke aber intensivere Betreuung und sind darauf angewiesen, dass auch nachts jemand da ist. Für meine Schwiegereltern mussten wir eine Pflegerin einstellen, nachdem sie nachts nicht mehr alleine bleiben konnten.
Lassen Sie sich beraten. Sprechen Sie mit dem Hausarzt, auch die Pflegekasse hilft weiter. Wenn Sie einen Antrag auf Pflegegeld stellen, haben Sie Anspruch auf eine kostenlose Pflegeberatung. Diese Seite der Verbraucherzentrale hilft weiter und erklärt den Prozess.
Kommunikation: Die Kommunikation mit einem demenzkranken Elternteil kann frustrierend sein. Oftmals sind die Betroffenen nicht in der Lage, sich klar auszudrücken oder folgen dem Gespräch nicht mehr. Dazu kommt, dass sie sich ihrer Situation soweit bewust sind, dass ihnen klar ist, das irgend etwas nicht stimmt. Das macht sie oft wütend. Meine Schwiegermutter lies ihren Ärger und ihre Frustration an der Familie aus. Das war nicht immer einfach.
Da hilft nur Geduld und Einfühlungsvermögen. Man sollte sich klar machen, dass der Demenzkranke nicht mehr in der Lage ist, seinen Ärger auf andere Weise zu kanalisieren. Es kann hilfreich sein, einfache Sätze zu verwenden und Blickkontakt zu halten, um das Gefühl der Verbundenheit zu stärken.
Rechtliche und finanzielle Aspekte: Die rechtlichen und finanziellen Angelegenheiten eines demenzkranken Elternteils müssen frühzeitig geklärt werden. Es empfiehlt sich, Vollmachten und Patientenverfügungen zu erstellen, solange die betroffenen Personen noch in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen. Auch das ist ein heikles Thema im Umgang mit demenzkranken Eltern, gerade weil sie meistens auf keinen Fall die Kontrolle abgeben und ihre Unabhängigkeit verlieren wollen.
Umgang mit demenzkranken Eltern: Wege zur Bewältigung der Situation
Selbstfürsorge: Schaffen Sie sich Ihre Freiräume und nehmen Sie sie ohne Schuldgefühle in Anspruch. Regelmäßige Pausen, Hobbys und soziale Kontakte sind wichtig, um die eigene Energie aufzuladen.
Unterstützungsnetzwerke: Der Austausch mit anderen, die ähnliche Erfahrungen machen, kann sehr hilfreich sein. Selbsthilfegruppen oder Online-Foren bieten die Möglichkeit, sich auszutauschen und Unterstützung zu finden.
Professionelle Hilfe: Scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, sei es durch Therapeuten, Pflegekräfte oder Sozialarbeiter. Diese Fachleute können wertvolle Ratschläge geben und dabei helfen, den Alltag besser zu bewältigen.
Positive Erinnerungen schaffen: Versuchen Sie, trotz der Herausforderungen schöne Momente mit Ihren Eltern zu schaffen. Gemeinsame Ausflüge, das Durchblättern von Fotoalben oder das Hören von Musik aus der Vergangenheit können Erinnerungen wecken und die Verbindung stärken. Als meine Schwiegermutter an Demenz erkrankte, schufen wir ein kleines Ritual: Eine Tasse Kaffee, die wir nachmittags zusammen tranken, und ihre Malbücher. Jeden Tag malten wir zusammen ein Bild aus. Wir sprachen über das Motiv, sie erzählte von früher und war zufrieden. Nach ein paar Tagen war diese halbe Stunde ein fester Bestandteil ihres Tages geworden. Sie freute sich darauf und war insgesamt positiver gestimmt. Ein guter Teil der Wut über ihre Situation hatte sich gelegt – und das machte die Pflege für uns viel einfacher.